SACD - Quo vadis?

Man kann sich als technikbegeisterter Mensch der Faszination neuer Technologien nicht auf Dauer entziehen. Im Fall des CD-Nachfolgers SACD habe ich es bis jetzt sehr gut geschafft und Dank der Industrie werde ich wohl auch standhaft bleiben.

Nach nunmehr neun Jahren hat mein alter CD-Player seinen Dienst getan und könnte von mir aus abtreten. Und es gibt tatsächlich eine verlockende Offerte, die für meinen Anspruch genau richtig ist: Der Yamaha CD S2000. Ein SACD-Player für ca.1200€, der mit symmetrischen Ausgängen, hochwertiger Elektronikbestückung und einem soliden Erscheinungsbild auftrumpft. Dazu kommt das Design im Retrostyle, das mir sehr gut gefällt. Warum noch zögern? Losgehen, kaufen, zufrieden sein, oder?

Tja, wenn da nicht die Zweifel wären. Liest man aktuelle Hifi-Zeitschriften durch, so fällt auf, dass die Neuerscheinungen von SACDs quasi nur noch im Klassik-Bereich stattfinden. Der Rest der Musikwelt ist mit extrem wenigen Titeln vertreten und die Welle der Wiederveröffentlichungen von Alben, die ich in meinem kurzem Hifi-Leben sowieso schon zweimal gekauft habe, geht so an mir vorbei. Ich kann es irgendwann nicht mehr lesen: Die Beatles, jetzt zum 500. Mal neu abgemischt, jetzt hören wir schon wieder mehr usw.

Wenn der Industrie wirklich etwas an der Verbreitung der SACD liegen würde, dann käme doch jede neue CD als Hybrid CD/SACD heraus und man könnte als interessierter Kunde solange auf dem alten Standard Musik hören, bis man sich zum Kauf eines neuen SACD-Players entschieden hat. Der innere Wunsch, die hochauflösende Datenschicht auch mal zu hören, wird vielleicht nicht sofort, aber gewiss nach einiger Zeit zum Kauf eines entsprechenden Players führen.

Aber diese Chance läßt sich die Tonträgerindustrie entgehen. Kann es heutzutage wirklich an den Produktionskosten liegen? Ich denke nicht, da die Massenfertigung einen Automatisierungsgrad erreicht hat, der nicht mehr diskussionswürdig ist. Oder wollen die Künstler zu viel Geld haben? Es war doch immer schon so, daß die wenigen Zugpferde (Rolling Stones, Michael Jackson, etc.) die große Kohle abgesahnt haben, dafür verhältnismaßig schlechte Alben produzierten und diese Verluste von allen anderen Künstlern des Labels aufgefangen werden mussten.

So ganz verstehe ich die Tonträgerproduzenten nicht. Oder sagen die sich einfach: "Ach, die CDs verkaufen sich so wie immer und was stört es uns, wenn Firma X ihre SACD-Player nicht los wird, nur weil wir uns rein um die Gewinnoptimierung kümmern?" Gut, das Beispiel hinkt etwas, da Softwareproduzenten und Hardwareindustrie schon immer miteinander verbandelt waren, aber wo bitteschön ist das Problem?

Oh ja, wie ignorant von mir, da habe ich wieder mal beide Augen verschlossen vor dem wahren Übeltäter. Ja, jetzt nicht weggucken, sondern die Augen schön am Bildschirm lassen, Sie Verräter! Das glaube ich einfach nicht! Sie haben uns das ganze hier eingebrockt! Wegen Ihnen müssen wir uns tagtäglich diesen datenreduzierten Sondermüll reinziehen, nur damit uns das Ohrenvalium am Durchdrehen hindert!

Sie können sich Ihrer Mitschuld nicht entziehen! Warum haben Sie nicht bei der SACD-Einführung ein klares Zeichen an die Industrie gesendet? Einfach den Konsum von CDs einstellen und warten, bis alles auf SACD herausgebracht wird, ist doch wohl nicht zuviel verlangt? Ach, man hat ihr Zeichen falsch gedeutet! Sie haben den CD-Konsum eingeschränkt, wurden dann aber zum Raubkopierer ernannt und öffentlich gebrandmarkt? Tja, wie soll man sich eigentlich als Konsument der Industrie gegenüber ausdrücken? Hören bzw. sehen die uns eigentlich?

Als Kind habe ich Wunschzettel an den Weihnachtsmann geschickt. Alles war clever vorbereitet: Würde ein Kind hinter dem Ort Himmelsthür wirklich etwas anderes als das Weihnachtsmann-Headquarter erwarten? Und die Wünsche wurden doch erfüllt. Also demnach gab es den Weihnachtsmann, oder nicht?

Ich glaube, mit der Tonträgerindustrie verhält es sich ähnlich. Wir glauben zwar immer, daß sie am langen Hebel sitzt, aber letzlich produziert sie nur etwas, was ein anderer ihr vorgibt. Und da sind wir schon auf der heißen Fährte: Wer sind die wahren Drahtzieher hinter den Tonträgerproduzenten? Vielleicht sowas wie eine Mafia, geschmiert von reaktionären Gruppierungen rund um einen Schallplattenguru, der aus Angst den Fortschritt verhindern will? Oder befinden wir uns in einem Großversuch zur Erforschung des Aggressionspotenzials der deutschen Mittelschicht? Wann brennen die ersten Autos? Wer wirft symbolisch den ersten Stein und stellt sich der Musikindustrie entgegen, um mit ihr abzurechnen? Und wenn es wirklich soweit käme, was wäre die Lösung? Wird sie uns alle Wünsche sofort erfüllen? Alle SACDs für 10€, ohne wenn und aber! Keine weiteren Formatstreitigkeiten und alle Neuerscheinungen werden automatisch als Hybrid CD/SACD veröffentlicht!

Aber mir reicht es eigentlich schon. Mehr will ich gar nicht. Eine klare Aussage wäre auch schon OK. So wie z.B. "Hey, die SACD macht echt nicht mehr so lange, also wenn Du mich fragst, der Zug geht bald ins Abstellgleis." Damit könnte ich wenigstens leben, aber dieses stumme Dahinsiechen, bis keiner mehr etwas von SACD weiß, geschweige denn darüber schreibt, macht mich wahnsinnig. Jetzt wäre doch die Gelegenheit, endlich mal Stellung zu beziehen! "Ja, wir stehen zur SACD, weil..." Aber da haben wir wieder das o.g. Problem: Der Auftraggeber der Industrie will unerkannt bleiben und sein Medium Tonträgerproduzent hat keinerlei Arsch in der Hose, um klare Bekenntnisse auszusprechen.

Halt, ich gebe nicht so einfach auf! Die Forderungen bezüglich der SACD habe ich soeben fein säuberlich auf ein weißes Blatt Papier geschrieben, mit kleinen Malereien verziert und in einen frankierten Umschlag gesteckt. Morgen geht er auf den Weg nach Himmelsthür! Ich freue mich schon so auf die Festtage!

 

 

 

 

Hauptseite

zurück